«Schweizer Langlaufsport - eine Standortbestimmung (die grosse Lücke nach Dario Cologna)»
Der steinige Weg an die Spitze
...
Wieso junge Sportler, die als
grosse Talente «verschrien»* werden und bereits als Nachfolger des
erfolgreichen Vorzeigeathleten gehandelt werden, dann doch nicht reüssieren und
wieder aus dem Fokus des Geschehens verschwinden, ist irgendwie auch ein
Phänomen. Eine etwas traurige Erscheinung, welcher leider auch hierzulande viel
zu oft vorkommt. Was nun denn, landet der hochgelobte Athlet plötzlich auf dem
Boden der Realität. Im Nichts so quasi. Ja, steil verlaufende Karrieren bergen
halt immer auch die Gefahr, abrupt fertig zu sein. Doch dahinter steckt immer
auch ein Mensch, wessen Leben fast schon schicksalsartig gekennzeichnet und
vorgeprägt ist. Denn ein Sturz tut oft nicht nur weh, sondern kann gar zu
psychischen Problemen führen, obwohl sich der Sportler in seinem Weg doch auch
viele gute und nützliche Eigenschaften und Tugenden aneignet. Peter Decurtins,
seit über 20 Jahren Leiter der eigenen Sportschule und Sportcoach, nimmt den
Langlaufsport ins Visier und hat sich darüber Gedanken gemacht.
Gewiss ist der hiesige
Langlaufsport noch nie mit einer durchschlagenden Breite gesegnet gewesen.
Meistens waren es spezielle Ereignisse, wie die Bronze-Medaille an den
Olympischen Winterspielen 1972 in Sapporo (Jap), wo Alfred Kälin, Albert Giger,
Alois Kälin und Edi Hauser in der 4 x 10 km Staffel einen «Exploit» schafften
oder Ausnahmeathleten, welche einen Langlaufboom oder regelrechten «Hype»
auslösten. Einen solchen hat sicher auch unser «Super-Dario» (natürlich ist da
Dario Cologna gemeint) ausgelöst! Solche «Überathleten» oder
«Jahrhundertsportler» sind für einen Sport, welcher nicht gerade die höchste
Popularität in der Sportwelt geniesst und eher einen «Exoten-Status» innehat,
doch enorm wichtig. Doch wo sind seine Nachahmer, seiner Nachfolger, welche nun
eigentlich so langsam in den Startlöchern stehen müssten? Der aktuelle Blick
auf die Ranglisten und die sehnlichst vermisste Konstanz von Swiss-Ski Athleten
im Weltcup - im Rückblick der letzten Jahre gesehen - zeigt ein doch eher
düsteres Bild auf. Curdin Perl, welchem schon früh nachgesagt wurde, dass er «einen
grösseren Motor wie Dario hat», konnte während seiner Aktivzeit nie so ganz den
Ansprüchen gerecht werden. Toni Livers, der immer mal wieder überrascht und
neben Dario wohl der konstanteste ist, steht wohl auch eher am Ende seiner
Laufbahn. Andere Athleten waren mal da, sind dann wieder von der Bildfläche
verschwunden - und tauchten entweder wieder auf oder dann ganz ab. In der
Sprint-Disziplin geht’s mal mehr, mal weniger ab. Meistens war das «hick-hack-mässige»
hin und her gesundheitlich bedingt, worüber man aber nur spärlich Informationen
vorfinden konnte oder schon fast richtig «recherchieren» musste. Leider gibt’s nur
selten bis nie offizielle Mittelungen seitens des Verbandes. Das ist schon
etwas mager, und man tut so den Athleten sicherlich keinen Gefallen. Die
Kommunikation sollte auch zur gesamtumfassenden Athleten- Betreuung gehören!
Etwas anders sieht es bei den Frauen aus, wobei doch mittlerweile drei
Athletinnen für Top-Plätze gut sind. Was dahinter nachkommt, muss sich dann aber
definitiv noch zeigen.
Das Scheitern der Jungen und das schwierige
Eingliedern in den Weltcup
Während man meinte, mit Jonas Baumann, und dann mit
Jason Rüesch endlich solche Läufer gefunden zu haben, welche die Lücke füllen
könnten, erlebten diese kurz vor dem grossen Durchbruch , resp. vor dem sich
Etablieren als nationaler Topläufer, ihren eigenen, persönlichen Kollaps. Ein «Burnout»
war's bei Jonas Baumann (siehe grosse Reportage in der «Schweizer Illustrierte»
unter dem Titel «Zurück in der Spur» und «FIT for LIFE», Ausgabe 8 / 2018) und ein «Overreaching» (Übertraining)
bei Jason Rüesch, was er selber auf seiner Webseite preisgab und eindrücklich
darstellte. (Danke Jungs, für die Offenheit!). Beide Athleten haben sich
mittlerweile gefangen und sind aktuell dabei, sich zurück zu kämpfen, was ihnen
doch auch hoch anzurechnen ist, denn solche Ereignisse bedeuten nicht selten
das Ende einer sportlichen Laufbahn.
Ja,
und nun, was geht hinsichtlich der laufenden Saison ab? Livio Bieler** taucht,
während einer weiteren Saison, wo er eigentlich ordentlich unterwegs ist und
teilweise ordentlich im Weltcup läuft, plötzlich bei einem Volkslauf auf und
überzeugt dort mit einem souveränen Sieg - und einem offensichtlich
bärenstarken Leistungsniveau! Beda Klee, der Toggenburger oder der Nächste, der
es nun richten soll, hat schon mal bei der Tour De Ski aufblitzen lassen, was
möglich ist. Offensichtlich hat er die Basis dazu. Doch irgendwie scheint es
schwer oder wie verhext zu sein, sich permanent in den Weltcup einzugliedern.
Kaum läuft ein «Swiss-Ski- Athlet» – international gesehen – noch eine volle Saison durch. Das mag wohl seine
Gründe haben, aber eben: Eine gewisse Konstante wäre doch schön und
wünschenswert! Schade eigentlich, belieben einem als Fan oder Beobachter so
doch auch gewisse Unzulänglichkeiten und Fragen offen, welche in eine Art
Unzufriedenheit münden, wodurch das Interesse am schönen Langlaufsport etwas
entschwindet und der «Cologna-Effekt» bereits schon wieder langsam verblasst.
Schade eigentlich, denn eine solche Chance gibt es wohl rasch nicht wieder! Die
Bemühungen sind, mit diversen regionalen Trainings-Stützpunkten, Sportschulen
und nationalen Leistungszentren usw., sicherlich da und gut gemeint. Garantiert
wird sehr viel Herzblut in den hiesigen Langlaufsport investiert. Doch das
alleine reicht anscheinend nicht! Es ist in Tat und Wahrheit nicht einfach und
es ist ein langer, steiniger Weg, bis genussreife und schöne Früchte geerntet
werden können. Doch nach solchen sehnen wir uns eben. Das ist das Ziel, der
Sinn der Sache «Leistungssport» - und das soll es auch sein und bleiben, nicht
mehr und nicht weniger.
Das Aufbauen von jungen Athleten - hier einige Tipps,
an Leute im Umfeld oder Betreuer der Athleten:
- Es sollte sorgfältig geschaut werden,
dass Talente oder perfekte Voraussetzungen nicht nur «schnell ausgelebt»
und somit rasch verbraucht werden, sondern viel mehr mit dem Athleten
einen systematischen und berechneten LEISTUNGSNIVEAU-AUFBAU
betreiben wird - so wie es die Norweger eben machen! Es soll auf LANGFRISTIGE SICHT hin mit dem
Athleten gearbeitet werden und stetig DIE NACHHALTIGKEIT IM VISIER sein (und bleiben).
- Viel wichtiger als in Jugend-Kategorien
Siegen Augenmerk zu schenken, wäre es, den Kern der Sache, das
sportlerleben zu vermitteln und zu verinnerlichen, da das dann auch
nachhaltig fruchten kann und den Athleten zu EIGENINITIATIVE verhilft. Denn «Extra-Trainings» – vor allem im Ausdauerbereich – sind eine wertvolle Investition in die
Zukunft. Eine gute Tugend, welche mehr wert ist, als «bloss» kurz der
Kategorien-Dominator zu sein, was eben oftmals, d.h. in jungen Jahren,
halt schon auch etwas körperlich bedingt ist.
- Man muss das «Athleten-Sein» vorleben und
«LANGLAUF VERKÖPERN UND LEBEN»,
wie es die norwegischen Naturburschen oder «Kerle» sind und machen, was
eben mehr fundiert ist als nur «schnelle Erfolge».
- Als Athlet unterliegt man oftmals, d.h.
heisst gerade vor dem grossen Durchbruch, der Gefahr, zu «überpowern»,
d.h. zu viel «Gas zu geben» und zu viele harte Trainings zu machen. Damit
wird mit der Brechstange versucht, den steilen Weg an die Spitze
abzukürzen. Doch das ist sehr gefährlich und definitiv ein «No-Go». Denn
eine solche Aktion oder «Gratwanderung» kann in ein fatales Übertraining
münden, fehlt die entsprechende Grundbasis dazu.
- Eine alte Sportweisheit besagt, dass 3 Sachen
gleichzeitig eben nicht gehen. Beispielsweise Vollzeit-Beruf, Freundin und
Spitzensport. Ebenso wenig vertragen sich Spitzensport mit nebenbei noch
einem Studium, auf höchstem Niveau zu machen, nicht wirklich so gut.
* Zum «als Talente verschrien»: Echt, das kann
ich schon fast gar nicht mehr hören, dieses «Gepäge» dort und da von «lokalen
(Jung-)Helden» … - «Der», «ein Riesen Talent», «der Neue …» usw. Oftmals sind
es aber Kinder von «angefressenen» Aktivsportlern, welche einfach auch enorm
«gepusht» und unterstütz werden - und welchen der Weg geebnet oder «poliert»
wurde, was eben nicht unbedingt ein nachhaltiger Vorteil oder starker
Charakterzug ist, da der Weg halt so manchmal auch etwas zu einfach oder glatt ist!
Alles ok und gut soweit: Doch wo stehen diese Athleten mit einundzwanzig oder
zweiundzwanzig Jahren, wenn man sich dann eigentlich langsam als «Topathlet» in
der nationalen Spitze einordnen, resp. so langsam auf dem Sprung in den Weltcup
sein sollte?!
** Livio Bieler war eigentlich schon in der Saison 2016/17, mit 23 Jahren, nach ein super Testrennen im November in Davos, auf dem Sprung in den Weltcup, konnte das Resultat aber dann nicht bestätigen und wurde gegen Ende Jahr leider auch noch krank (gemäss seinem Saisonrückblick auf seiner Webseite). Mit dem 14. Rang im 30km Skiathlon am Weltcup in Pyeongchang (KOR) konnte er dann aber immerhin seine ersten Weltcup- Punkte gewinnen, wennschon auch nicht alle «Top-Cracks» dort waren.
** Livio Bieler war eigentlich schon in der Saison 2016/17, mit 23 Jahren, nach ein super Testrennen im November in Davos, auf dem Sprung in den Weltcup, konnte das Resultat aber dann nicht bestätigen und wurde gegen Ende Jahr leider auch noch krank (gemäss seinem Saisonrückblick auf seiner Webseite). Mit dem 14. Rang im 30km Skiathlon am Weltcup in Pyeongchang (KOR) konnte er dann aber immerhin seine ersten Weltcup- Punkte gewinnen, wennschon auch nicht alle «Top-Cracks» dort waren.
Das wäre also nun mein erster Artikel hier zum Thema "Schweizer Langlauf (Nachwuchs)". Wohl vielleicht etwas provokativ oder gewagt - doch hoffentlich nur KONSTRUKTIV und GEWINNBRINGEND (gemeint)! Ja, gewiss doch: Ohne Kritik und sachliches analysieren geht es halt nicht. Das beste Beispiel ist doch Peter Schlickenrieder, welcher als TV-Langlauf-Experte doch die Sachen exakt und direkt gesagt und angesprochen hat, welche eben gesagt sein mussten. Nun ist er sogar Bundestrainer und treibt in Deutschland den Langlauf-Neuanfang an. Mit u.a. seiner Devise “mehr Gaudi” zu haben oder generell mit seinem Einfluss und seiner Erfahrung(en)scheinen sich die ersten Früchte seiner kurzen Arbeit schon zu zeigen. Ist doch sehr erstaunlich, wie auch erfreulich! Der Schweizer Langlauf bräuchte eben nun auch eine “neue Kultur”, was eigentlich mit dem engagieren von norwegischen Trainern wohl schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung war, welcher aber leider nicht fortgeführt wurde. Oder, wie seht Ihr die Dinge? Was meint Ihr, wo liegt aktuell "der Hund begraben"?
AntwortenLöschenSportliche-Bewegungsreiche Grüsse Peter Decurtins, ISW-Sports - www.sportkurse.ch